Ich war in der Vergangenheit wirklich sehr konsequent mit Kindern. Vorallem als ich noch keine hatte. Den Höhepunkt meiner pädagogisch wertvollen Konsequenz durchlebte ich in meiner ersten Schwangerschaft. Ich hätte unglaublich viele gute Ratgeber schreiben können. So gut war ich. Einfach top in Form. Dann bekam ich mein erstes Kind.

Ich merkte, dass so manches möglicherweise doch nicht gar so leicht umzusetzen war. Ziemlich kleinlaut musste ich mir und allen anderen eingestehen, dass Kindererziehung unter Umständen nicht nur nach Schema F ablief. Trotz allem. Ich hatte die Lage meist im Griff. Bis auf ein paar Ausnahmen. Die konnte ich im Nachhinein aber praktischerweise auch als eine meiner positiven Eigenschaften verbuchen. Denn ich wollte ja keine Maschine sein, sondern meinem Kind eine authentische Mama. Die auch negative Gefühle hat. Und zu denen sogar noch steht. Wenn ich mich doofkopfmäßig verhalten habe und der erste Sturm verzogen war, habe ich mich (wahnsinnig korrekt) bei Kind 1 entschuldigt. Alles wunderbar.

Liebe Einkindmütter, bitte bleiben Sie locker und lassen sich jetzt bloß nicht stressen von meinem Schlauarschgebrabbel. Natürlich lief das nicht immer so harmonisch ab. Das müde Mutterhirn verdrängt im Nachhinein ja auch ganz gerne mal.

Aber nichtsdestotrotz hatte ich die Situation oft supermommäßig im Griff. Mein Kind und ich waren spazieren mit dem Ziel: die nahegelegene Eisdiele. Das Kind bockte, trat nach mir, wollte nicht mehr weiterlaufen, schrie. Sanft und in engelsgleicher Stimme kündigte ich an, dass wir umkehren und nicht eisessen gehen würden, sollte es sein Verhalten nicht ändern. Kind bockte weiter. Auch die zweite Ermahnung half nichts. So dass ich das zeternde Kind nach Hause trug. Natürlich sprach ich weiter liebevoll mit ihm und machte alles so verdammt richtig. Herr Juul, Sie wären stolz gewesen. Daheim angekommen dauerte es nur noch kurz bis der kindliche Ärger verflogen war. Ich hatte ohnehin von Anfang an Verständnis. Kind und ich vertrugen uns. Vergnügt zogen wir uns erneut an, spazierten zur Eisdiele und gönnten uns ein extra großes Spaghetti-Eis. Die anderen Mütter, die sich neben uns von ihren Kindern hilflos auf der Nase herum tanzen ließen, bedachte ich mit einem etwas mitleidigen Blick. Mutter muss es halt einfach wollen. Und dann liebevoll durchziehen. Das ist das A und O. Der Casus Knacksus. Der springende Punkt. Schaut doch mich und mein bezauberndes Kind an. Dachte ich.

So. Und dann bekam ich weitere Kinder.

Kann ich bitte alle meine Schlauarschsprüche zurücknehmen? Können all die schönen und so wahren Erziehungsratgeber umgeschrieben werden? Wo sind denn bitte die kleinen Babys, die im Tragetuch herzzerreißend weinen, weil sie Hunger haben oder ein Pups furchtbar quer sitzt? Mit denen man gar nicht in der Lage wäre, ein bockendes Kleinkind liebevoll nach Hause zu tragen. Geschweige denn, sich auch nur für kurze Zeit auf Augenhöhe mit dem kleinen Wutmonster zu unterhalten. Ohne dass der Tragling sein Gehör verliert. Oder die Mutter das Gleichgewicht. Mitsamt den Nerven. Wo sind denn die großen Geschwister, die aber genau jetzt zur Schule sollen? Oder die Mittleren, die ganz dringend Pippikacka müssen? Was müssten wir Mütter (oder Väter) bitte für Übermenschen sein, derartige Situationen auch nur annähernd unter Kontrolle zu haben? Puh, ich bin keiner von denen.

Ja, ich weiß… Annette hätte es drauf.

Verdammt, meistens hat Mutter doch die Weisheit mit dem Löffel gefressen. Ich weiß in der Regel ganz genau, was erziehungstechnisch wann und wie angesagt wäre. Aber dem richtigen Verhalten stehen einfach noch ein bis viele Kind(er) entgegen. Möglicherweise war ich den Tag über auch schon in so viele Kämpfe involviert, dass ich gar nicht mehr anders kann, als meine Inkonsequenzwaffe zu laden und abzufeuern.
Mein Favourite: Tausche Zucker gegen braves Verhalten. Falls nötig: Tausche mehr Zucker gegen braves Verhalten. Dies wiederholt sich beliebig oft bis ein Konsens erarbeitet wurde. Wenn selbst das nicht von Erfolg gekrönt ist, verhalte ich mich in der Regel genau so zornig und bockig wie mein Dreijähriges. Ziemlich erbärmlich, aber leider wahr.

Schön, wenn Passanten dann einen mit Sicherheit unglaublich nett gemeinten Spruch bringen. Oder die Kassiererin missbilligend schaut. Oder die Omi die Nase rümpft. Könnten Sie mir bitte stattdessen einfach einen verdammten Orden verleihen? Ihr tiefstes Mitgefühl zeigen? Mir eine warme Suppe kochen? Und dürfte ich möglicherweise mal mit Ihrer Frau ein Bierchen trinken gehen, Herr Juul? Wie regelte sie das denn, als Sie Ihre Bücher schrieben?

Ach ja. Vielleicht sollte ich mich in den besagten Situationen auch weiterhin einfach so verhalten wie mein Threenager. Brüllen und wenn gar nichts mehr geht, drohen mit: „Wenn du jetzt nicht tust, was ich dir sage, dann lade ich dich nicht zu meinem Geburtstag ein.“ Vielleicht hilft’s.

Herzlichst inkonsequente Grüße,