
Es ist soweit. Eine neue Ära wurde eingeläutet: Die Fremdbetreuung. Ich habe im Vorfeld lange und intensive Gespräche mit meinem Kind darüber geführt. Es weiß Bescheid, ist sich über Pro und Kontra der Kinderbetreuung im Klaren und sieht seiner Zukunft als Krippenkind positiv entgegen. Während seine Mutter dagegen höchst ambivalente Gefühle in sich trägt.
Denn ich habe derweil ein schlechtes Gewissen. Weil ich den Burschen jetzt 16 Monate daheim hatte ohne gleichaltriges Entertainment, man denke an all die verpasste Förderung. Und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil dieser kleine süße Wurschtl ja noch so ein kleiner süßer Wurschtl ist und es doch am allerbesten wäre, wenn er einfach bei der Mama bliebe. Wenn schon nicht im Bauch, dann wenigstens in Nabelschnurlänge entfernt zur Mutter. Man bedenke auch den enormen Stressfaktor fürs Kind in der Kita.
Ich bin also mal wieder total im Reinen mit mir und diesen Kinderthemen. Wie so oft.
Glücklicherweise kenne ich die Einrichtung. Auch meine beiden Großen waren schon dort und ich mag die Erzieher von Herzen gern. Und dennoch. Man male sich mal aus, dieser zuckersüße kleine Mensch stelle sich hin, mache diese eine lustige Grimasse, Sie wissen schon… und keiner würde klatschen! Keiner ließe alles stehen und liegen und applaudierte. Und niemand würde Tage später noch über diese süße wunderbare Grimasse berichten. In den Augen Tränen der Rührung.
Kurz vor den bevorstehenden Eingewöhnungen meiner Kinder bin ich stets in derselben Stimmung. Ich frage mich, was mich geritten hat, dieses Mini-Baby in der Kita anzumelden. Und ob ich es nicht lieber bis zum Abitur daheim unterrichten sollte. In diesen Phasen lese ich immer ziemliche viele Bücher mit dem Eingewöhnungskind-in-spe, spiele Rollenspiele und bastle sogar. Eigentlich kann man nur von Glück sprechen, dass ich dann manchmal das Leberwurstbrot auf die falsche Seite des Tellers lege oder dem Kind Schuhe anziehe bevor wir rausgehen. Denn meistens ist meine Wehmut über die nun endende Elternzeit dann auch wieder rasch vorbei.
Und eins ist klar. Wenn hier einer eingewöhnt wird, dann bin definitiv ich das. Mit kritischem Blick werde ich bei der Eingewöhnung auf einem Ministuhl im Hintergrund sitzen und all die anderen kleinen Kinder taxieren. Hat das Mädchen da gerade etwa meinen kleinen Spatz berührt? War in ihrer Handlung ein erkennbarer böswilliger Vorsatz zu beobachten? Na? NEIN! Nicht mit dieser Rotzglocke an meinem gesunden Sohn vorbei gehen. Nicht näher kommen! Schau, mein Kind ist eh noch klein und spielt total langweilig. Schau mal wie langweilig! Nicht langweilig…? Okay, zu spät. Dann spielt halt meinetwegen zusammen.
Ich werde im Morgenkreis sitzen mit dem wundervollsten Kind, das diese Einrichtung jemals betreten hat. Immer wieder nach Bestätigung suchend in den Gesichtern der Erzieher*innen. In diesem einen Fall müssen sie einfach ihre Neutralität aufgeben. Ein Kind ist nun mal das Süßeste von allen. Ich werde lautstark besingen, dass meine Augen verschwunden sind. Und meine Ohren. Und meine Hände. Und dass die gewaschen werden müssen. Und dann muss ich noch schü-tttteln, schüttelschüttelnschütteln schüttelnschüttelnschütteln bis sie trocken sind.
Mei, habt ihr alle gesehen, wie knuffig dieser kleine Kerl da vor mir ist? Schaut, jetzt nimmt er sein linkes Händchen hoch? Habt ihrs gesehen? Gleicht macht er es nochmal. Hach.
Super lässig werde ich dann bei der ersten Trennung die Räumlichkeiten verlassen. Und zwei Meter um die Ecke wasserfallartige Tränen plärren. Könnte man bitte für jede Eingewöhnungsmama eine extra Fachkraft einberufen, die sich ausschließlich um die emotionalen Belange der Mutter kümmert? Ich wette, die Eingewöhnungen wären für alle entspannter.
Verdammte Axt, man sollte meinen, dass ich beim dritten Kind endlich mal souverän geworden wäre. Zumal ich weiß, dass ich, allem Abschiedsschmerz zum Trotz, auch dieses Mal wieder zu den Müttern gehören werde, denen die Erzieher beim Krippenabschiedsfest noch die Gummistiefel in Größe 21 in die Hand drücken. Und die Wechselhose in 74/80. Und auch ich werde irgendwann abends in die Augen meines Kindes schauen und denken, bitte lass das nur keine Bindehautentzündung werden. Die sinnloseste aller Infektionen. Weil nicht kitafähig, aber aufgrund der guten körperlichen Verfassung auch nicht home-office-fähig. Oder ausruh-fähig. Oder Beste-Freundin-Kaffeeklatsch-fähig.
Glücklicherweise weiß ich mittlerweile, dass ich nach ungefähr sechs bis maximal acht Wochen eingewöhnt bin. Bis dahin möge man bitte sehr behutsam mit mir umgehen, meine Launen ertragen und mir regelmäßig mein Lieblingsessen kochen. Wie man das halt so macht mit einem Eingewöhnungskind. Drücken Sie mir bitte die Daumen. Und reichen mir Taschentücher. Viele Taschentücher.

Ich habe wieder Tränen gelacht und am Schluss Pipi in den Augen!!!
Ich liiiiiebe deine Beiträge!!!