Nie war ich Mickie Krause näher als momentan. Zumindest seinen Liedern. In den letzten Tagen fehlen mir so oft die Worte. Es fühlt sich noch immer ein bisschen an wie in einer Netflix-Serie, die ich mir niemals anschauen würde. Weil sie mir Angst machen würde. Es macht mich sprachlos, wenn ich den Nachrichten folge. Oder den Erzählungen über gefüllte Eiscafés. Abendliche Grillpartys unter Eltern oder volle Spielplätze. Haben die den Warnschuss verdammt noch mal nicht gehört? Ich kann es nicht fassen. Es geht nicht darum, Panik zu verbreiten, es geht doch darum, aus dieser allesübergreifenden Situation möglichst heile wieder rauszukommen. Wir alle und die Menschen, die uns lieb sind. Und das so schnell wie möglich. Eine Chance haben wir doch, aber nur wenn wir sie auch nutzen. Ich möchte es also so laut wie ich nur kann in Mickie Krauses Worten hinausgrölen in die Welt, persönlich adressiert an die noch immer bestehenden Menschenansammlungen. Ihr da, die ihr dicht an dicht steht:
„GEH DOCH ZU HAUSE DU ALTE SCHEI$$E!“

Wir sitzen alle in einem Boot.

Und wir müssen verdammt nochmal für eine gewisse Zeit innerhalb der Rehling bleiben. Auf dem Sofa. Auf dem Balkon. Im eigenen Garten. Für eine absehbare Zeit. Für manch einen mag das härter sein als für den anderen, weil er sich vielleicht zum ersten Mal auch mit seinen Urängsten konfrontiert sieht. Weil wir – und da schließe ich mich komplett ein – uns mit unserer eigenen Verletzlichkeit auseinandersetzen müssen. Ob wir wollen oder nicht.

Ich bin noch immer erschüttert über all dies, was in so kurzer Zeit auf uns einprasselte. Stellt euch vor, da gäbe es in Deutschland eine Mutter, die – nur rein hypothetisch – schon die Krise kriegen würde, wenn am Kindergarteneingang ein Aushang klebte mit „Wir haben Magendarm“. Jetzt stellt euch vor, diese Mutter – nennen wir sie PANNIKA – lebte in einer Zeit, in der die Welt plötzlich ins Wanken geriet. Wo Selbstverständlichkeiten nicht nur in Frage gestellt, sondern auch für eine gewisse Zeit ausgehebelt werden würden. Werden müssten. Wenn Fragen unbeantwortet blieben und auch der sehr geschätzte Dr. Google nicht weiter wüsste.

So in etwa fühle ich mich gerade. Annika, Mama von drei Kindern, freiberufliche Texterin, Ehefrau eines Heimbürokratikers. Die letzten Tage waren schwer. Ich musste und muss mich noch immer ständig neu ordnen. Neue Informationen verarbeiten, Panikattacken in den Griff kriegen, Tränen weinen aus Überforderung, Angst, Wut und Ratlosigkeit. Bisher allerdings noch keine Tränen der Langeweile. Und ich hebe meine ehrlichste Corona-Krone vor den Müttern, die jetzt schon Osterkarten gebastelt haben. Oder bereits nach pädagogisch wertvollen Beschäftigungen googelten. Ich bin mit meinen drei Kleinen hier derzeit noch im Überlebensmodus. Im Anpassungsmodus. Das System fährt sich gerade nach einem nicht selbst angeordneten Neustart wieder hoch. Aber noch hakt es überall.
Vor ein paar Tagen habe ich bei Instagram noch fleißig unseren Tagesplan für fünfundzwanzigeinhalb Follower gepostet. Ich habe einiges an Anerkennung dafür bekommen, was echt gut tat. So, und soll ich euch jetzt mal was sagen? Wir halten es bislang nicht im Entferntesten ein. Ach doch, ich korrigiere: Die Medienzeit halten wir ganz gut ein. Darin sind wir aktuell noch vorbildlich.
Nach wie vor freue ich mich an unserem Plan. Ich bin ein Mensch, der Struktur braucht und einen Alltag. Und ich glaube, auch Kinder brauchen das. Aber es ist ok, den noch nicht gefunden zu haben. Wir schreiben Tag 4. Erst Tag 4. Wir werden damit klarkommen. Weil wir es müssen. Und wir dürfen eines nicht vergessen, ich lese diesen Spruch zur Zeit immer und wieder, aber er ist einfach so wahr: Unsere Großväter mussten in den Krieg. Die Familie, die zu Hause blieb, musste tagtäglich bangen, dass ihr Haus zerbombt werden könnte. Dass nicht genug Essen da sein würde.
Wir dagegen müssen einfach nur aufs Sofa.

Lasst uns alle jetzt zusammenhalten. Bitte.

Und zwar in jeglicher Richtung. Ich glaube, dieser fuc&ing Virus kann auch eine Chance darstellen. Für wirklich vieles. Und manchmal rutsche ich auch kurzzeitig leicht auf eine Eso-Schiene ab. Was, wenn es einfach jetzt so kommen musste? Was, wenn das ein imposanter Warnschuss an uns Menschen ist? Innezuhalten, uns und unser Handeln endlich zu hinterfragen, die Prioriäten wieder zu verschieben? Auf einer menschlichen, kameradschaftlichen Basis. Und in eine gesunde gesellschaftspolitische Richtung.

Hört auf zu verurteilen. Hamsterkäufe sind nicht notwendig und erschweren die Lage zum Teil, das mag so sein. Und auch mir erschließt sich diese ganze Klopapierthematik nicht. Was mir aber klar ist: Der gemeine Hamsterkäufer geht nicht in den Laden und kauft drei Pack statt einem, weil er der Allgemeinheit schaden möchte. Weil er egoistisch ist oder paranoid. Der Hamsterkäufer hat Angst. Es heißt nicht, dass man die Sinnlosigkeit des Hamsterns nicht rational ansprechen sollte. Aber vielleicht könnte man einem Hamsterfreund auch einfach mal anders begegnen. Mit einem Lächeln. Einem mitfühlenden Satz. Vielleicht legt der eine oder andere ja auch wieder ein Pack zurück oder gibt es uns.

Wenn uns was durch diese Zeit bringt, dann ist es nun das Zusammenrücken. Nicht körperlich, aber umso mehr im Herzen. Mich berührt es, wenn Politiker plötzlich unbürokratisch, schnell und gemeinschaftlich agieren. Die, die sich wegen Kleinschei$$ noch vor zwei Wochen hitzige Debatten lieferten. Und ja, ich fühle mich sicher unter/bei/mit ihnen. Das ist ein schönes Gefühl. Mich berührt es, wenn ich im Netto ums Eck den 20-jährigen Kerl an der Kasse sehe, der einfach weiter Waren über das Band zieht ohne zu murren. Oder die in Teilzeit arbeitende Mama, die ständig neu die Regale bestückt. Die nicht nur das gesellschaftliche Risiko einer Ansteckung im Nacken hat, sondern vielleicht auch eine große Angst um ihre Kinder. Mich berührt es, wenn ich daran denke, dass neben den gut bezahlten Ärzten auch die minderbezahlten Pflegekräfte tagtäglich volle Leistung bringen. Und noch weit darüber hinaus. Und all die vielen anderen Berufsgruppen, die einfach weiterhin funkionieren müssen. Ich hoffe so sehr, dass der Staat euch nach dieser großen Herausforderung für eure unglaubliche Leistung honoriert. Und by the way, der Staat sind WIR… Eben auch diejenigen, die jetzt im Home-Office auf dem Sofa sitzen. Im Kinderzimmer. Oder auf dem Balkon. Ich bin kein Politikwissenschaftler und habe absolut keinen Rat, wie man hier Gleichberechtigung walten lassen könnte. Ich persönlich bin aber bereit, auch gewisse Einbußen in Kauf zu nehmen nach dieser Krise. Denn ich freue mich einfach nur brutal auf die Zeit, wenn ich meine drei Kinder wieder ins Auto packen kann, um meine Eltern zwei Stunden Autofahrt entfernt zu besuchen. Oder meine Oma. Wenn ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt fahre, um mich mit meinen Lieblingsmenschen auf einen Kaffee zu treffen. Oder mit meinen lieben Mamafreunden auf dem Spielplatz. Ich nehm mir den Kaffee gern auch von zu Hause mit. Ja, ich freue mich schon jetzt – leider eben auch schon an Tag 4 – so sehr auf den hoffentlich bald wieder einkehrenden Alltag. Aber es ist ok, wenn er dann etwas anders ist. Denn vielleicht ist es auch gut, wenn er anders ist. Möglicherweise rückt wieder ein bisschen mehr die Nächstenliebe in den Fokus. Und wer weiß, vielleicht wird der eine oder andere auch in ein paar Jahren sagen: Danke Corona. Du kamst mit voller Wucht und hast auch furchtbare Opfer gefordert. Gesamtgesellschaftlich betrachtet, warst du aber notwendig.

Meine Oma, die ich von Herzen vermisse, würde jetzt sagen: „Es kann nie so schlecht sein, dass es nicht auch für irgendetwas gut wäre.“

Bitte geht nach Hause!

Kommt runter. Entschleunigt. Verzeiht euch selbst, wenn ihr daheim nicht permanent funktioniert. Wenn Home-Schooling aufgrund des mentalen Trubels noch gar kein Thema ist und Home-Office neben den Kindern so gut wie gar nicht funktioniert. Es ist absolut in Ordnung, gerade noch nicht so recht klarzukommen. Jeder muss sich jetzt tagtäglich aufs Neue sortieren. Wer das nicht muss, ist ein Superheld. Oder nicht ehrlich.

Es wird auch wieder leichtere Zeiten geben.
Gemeinsam einsam schaffen wir das!