Ganz ehrlich. Manchmal habe ich das Gefühl, ich bin der einzige Mensch auf dieser Erde, der keine positive Gefühlsexplosion erlebt, wenn er zwei Schaukeln und eine Rutsche sieht.

Gut. Es ist nicht immer schlecht. Ich dramatisiere. Ein bisschen. Ich hatte schon richtig coole Nachmittage in wirklich netter Runde. Das sind die Tage, an denen man den Spielplatz betritt und die große rosa Harmony-Wolke über allen schwebt. Die Sonne scheint, es gibt wenige Streitereien und die Kinder spielen Bullerbü nach. Hach, kann das Leben mit Kindern enspannt sein. Die sind aber auch knuffig. Da verzeihe ich sogar den weitestgehend koffeinfreien Nachmittag. Und die drei Kubikmeter Sand, die ich anschließend in der Wohnung habe.

Aber die Erfahrung zeigt: Es geht definitiv auch anders als Bullerbü. Haben Sie sich schon mal gefragt, warum Sie die Stunden auf diesen pittoresken Kinderunterhaltungsanlagen nicht immer in Gänze genießen können? Ich erkläre Ihnen warum. Es ist eigentlich ganz einfach: Sie sind unfreiwillig zum Statisten geworden in der Daily Reality Playground Soap.
Heute im Programm für Sie: „Ernährungsbenachteiligte Kinder versus Kindesmisshandlung durch Zucker“.

Lasset die Spiele beginnen

Statistenrolle 1: Die Keksmama
Spätestens beim ersten Sandkasten-Fight öffnen Sie Ihre Tupperdose (oder noch mutiger: die lieblose Packung aus dem Supermarkt). Um des lieben Friedens willen. Dann schließen Sie am besten die Augen und zählen bis zwölf. Sollten Sie in Spielplatznähe bereits als die Mutter mit den Keksen bekannt sein, genügt es oftmals bis drei zu zählen. Öffnen Sie die Augen wieder. Vor Ihnen werden sich alle im Umkreis von 500 Metern befindlichen Kinder in Zweiergrüppchen aufgestellt haben, um auch noch den letzten Kekskrümel aus Ihrer Box zu ergattern. Sobald Sie wieder Zeit finden aufzuschauen, werden Sie die entrüsteten und ziemlich bösen Blicke der entzückenden zuckerlosen Mütter bemerken. Für den nun folgenden Spielplatzaufenthalt wäre es ratsam, sich etwas mehr im Hintergrund zu halten. Und einfach brave Kinder zu haben. Sie möchten ja nicht noch mehr ins soziale Spielplatzabseits geraten.

Statistenrolle 2: Die Obstmama
Glauben Sie mir, Sie werden auf Ihren liebevoll vorbereiteten Apfelschnitzen sitzen bleiben. Oder sie mit Sand paniert überall verteilt finden, nur nicht in den Mündern Ihrer Kinder. Denn während Sie noch Ihre vitaminreiche Kost mütterlich ambitioniert anpreisen, sind Ihre eigenen Sprösslinge bereits in Nullkommanix zu den Keksmütterkindern gerannt. Um vor denen nun völlig ungeniert und provokativ die Lippen leckend zu stehen. Und zu betteln. Sehr zur Freude der knausrigen Keksmütter.

Statistenrolle 3: Die Bringnixmitmama
Kein Obst und keine Kekse. Für Fortgeschrittene: auch kein Wasser (Wuuuuuh). Dann müssen Sie spätestens dreieinhalb Minuten nach Verlassen des Kindergartens und noch vor Erreichen des Spielplatzes einen medizinischen Notfall meistern. Denn Ihre Kinder drohen vermutlich akut zu verhungern und/oder zu verdursten. Diese unersättlich gute Laune führt sich dann mindestens bis Verlassen des Spielplatzes fort.

Auf öffentlichen Spielplätzen können Mütter also einfach nur verlieren. Seien Sie sich dessen immer bewusst! Glauben Sie mir, ich hatte schon in jeder Rolle einen unvergesslichen Bühnenauftritt.

Mein persönlicher Ausweg aus diesem Dilemma:
Ich verabreiche meinen Kinder schon vor Verlassen des Hauses (oder in einer ruhigen, uneinsehbaren Ecke zwischen Kindergarten/Schule und Spielplatz) Unmengen an Essen. Obst, Gemüse und Brotrinden sind mit Sicherheit noch reichlich in ihrer Brotzeitdose vom Vormittag vorhanden. Auch vom Brotzeitpausennebensitzer. Und dem Nebensitzer des Nebensitzers. Zur vitaminreichen Nahrung werden von mir heimlich Kekse verabreicht. Schokoladenfrei. Aufgrund Spurenvermeidung. Dann betone ich immer wieder mantramäßig, dass wir jetzt alle reichlich gegessen und getrunken hätten und es auf dem Spielplatz nichts mehr geben würde. Kinder, das wird eine Herausforderung! Knapp eine Stunde ohne Nahrungsaufnahme.

Challenge accepted!

Sollten meine Kinder dennoch plötzlich zu verhungern drohen, packe ich die Chance in der Regel gekonnt beim Schopfe. Und mache ihre Not zu meinem Vorteil. Ich verspreche ihnen flüsternd ganz viele Leckereien, die es gleich zu Hause geben sollte. Mit so einem verschwörerischen Blick. Sie wissen schon. So ein Stellt-doch-mal-schnell-eure-Stiefel-raus-gleich-kommt-der-Nikolaus-Blick. Dann verlasse ich schnellst möglich den Ort des Geschehens. Denn erwähnte ich schon, dass ich Spielplätze irgendwie nicht leiden kann? Also jenseits der Bullerbü-Harmony-Wolke? Entweder langweile ich mich zu Tode, bekomme gefährlichen Handkrampf vom Anschaukeln oder fühle mich genötigt in Zweikämpfen von Menschen unter einem Meter zu vermitteln. Nicht, weil ich es für richtig halte. Sondern weil man das ja so macht. Als Mutter.
Und auf das Smartphone schauen darf ich auch nur heimlich. Wenn ich keinen Besuch vom Jugendamt riskieren möchte.

Ach ja, ich schreibe hier ganz bewusst nur über die Mütter. Obwohl ich auch wirklich schon unterhaltsame Nachmittage mit Vätern auf Spielplätzen erlebt habe. Die treiben sich da also auch rum. Aber für den Mann (zumindest für meinen) treffen zwei dieser Statistenrollen schon mal nicht zu. Denn hat Mutter nicht schon alles an Proviant vorbereitet, geht dieser nämlich sicher weder mit Keksen noch mit Äpfelchen los. Und er traut es seinen Kindern sogar zu, 45 Minuten ohne Wasser auszukommen. Ohne zu dehydrieren. Ziemlich cooler Kerl, wie ich finde.

Ein weiterer Vorteil väterlicher Spielplatzbetreuung: Der Mann kann in der Regel tiefenentspannt auf Spielplätzen zuschauen, wie die Kinder buddeln, betteln oder sich batteln. Manchmal beneide ich ihn schon ein wenig um diese lässige Unaufgeregtheit. Aber ich habe auch noch nie von einer Väter-Mafia gehört.