An Geburten kann frau sich irgendwie nicht gewöhnen. Ich habe drei hinter mir. Alle waren anders und doch ging es mir unterm Strich danach immer ziemlich ähnlich. Ziemlich kacke. 

Dreimal entbunden. Mal mit Schmerzmittel, mal ohne. Mal eingeleitet, mal alles ganz natürlich. Mal mit anschließender Intensivstation, mal Bilderbuch-Bonding und Rooming-in. [An alle noch nicht Niederkünftigen. Ja, ich spreche hier eine neue Sprache. Aber glauben Sie mir, Sie werden ihr sehr bald mächtig sein.]

Ganz bestimmt war manches leichter, anderes schwerer. Was jedoch bleibt, ist dieses Gefühl danach. Erst die absolute Erleichterung. Immerhin hat frau da eben ein menschliches Wesen rausgepresst. Dann diese grenzenlose Erschöpfung, die ich persönlich immer als sehr angenehm empfand. Und während beim ersten Kind noch alles neu war, war es beim zweiten und dritten…………….. irgendwie immer noch alles verdammt neu!

Klar, sitzen manche Handgriffe besser. Man kriegt keinen Nervenzusammenbruch mehr, wenn das Stillen nicht direkt klappt. Oder dieser neue süße Mensch plötzlich ekliges dunkles zähes Zeug kackt. Aber diese Bandbreite an Emotionen, die ich als Mama da plötzlich durchlebte unterschied sich weder bei Kind 1, Kind 2 noch bei Kind 3 wesentlich. Spätestens bei Kind 3 wusste ich nur, dass es ok ist so wie es ist.

Als ich mit Kind 1 meine drei Tage im Krankenhaus verbracht hatte, musste ich vor dem Check-out nochmal kurz runter in den Kreißsaal zum Ultraschall. Da lag ich also auf dieser mir so bekannten Liege. Der Gynäkologe verteilte das Gel auf meinem leeren Schlabberbauch und setzte den Ultraschallkopf an.

BÄÄÄÄÄÄM!

Jetzt hatte mich der Babyblues wohl zum ersten Mal so richtig erwischt. Die Sau. Hinterlistig von hinten angeschlichen. Ich starrte auf den Bildschirm und suchte vergeblich nach diesen kleinen Händchen. Das kleine Näschen. Wenigstens ein kleines Füßchen. Bitte Leute, was macht ein Ultraschall denn für einen Sinn, wenn man nicht dieses zuckersüße kleine Wesen auf dem Bildschirm bewundern kann?! Diesen wunderbar klingenden Herzton wie Musik in den Ohren erschallen hört?! Ich heulte Rotz und Wasser. Und es brachte auch rein gar nichts, dass mein Mann (ziemlich hilflos) neben mir stand. Im Arm dieses kleine Wesen. „Schau mal, Spatzl, hier ist doch unser kleiner Sonnenschein.“
Spatzl wollte den kleinen Sonnenschein aber nicht hier. Sondern wieder zurück im Bauch. Sofort! Anders wollte ich dieses Krankenhaus nicht verlassen.

Der Frauenarzt war gänzlich überfordert mit der Situation und drängte mich so schnell wie möglich runter von seiner Liege. Denn vor der Tür warteten ja auch schon die strahlenden hochschwangeren Frauen. Die verträumt über ihre schönen, dicken Bäuche streichelten und mit höchster Gelassenheit auf ihre baldige Bilderbuchniederkunft blickten.
Das war das, was ich sah.

Ganz ehrlich – es sollte verboten werden, Frauen am dritten Tag nach Hause zu entlassen. Sollten die Kliniken sich nicht daran halten, müssten dicke Konventionalstrafen verhängt werden. Wie bitteschön kann man so ein hormongesteuertes, völlig unzurechenbares Muttertier an Tag Drei allein mit sich selbst lassen? Schlimmer noch – allein mit Mann und Kind?!

Natürlich war ich vorbereitet. Wie auf alles in meinem Leben. Bei Google hatte ich vorab schon mein Wochenbettdiplom gemacht. Mit Babyblues Zertifikat und dem Doktor in Postpartaler Depression. Ich wusste also, was auf mich zukam……

NICHT!

Ich heulte was meine Tränenkanäle hergaben. Ich heulte, weil das Kind schrie. Oder weil es nicht schrie. Weil es schlief oder weil es nicht schlief. Ich heulte über das heißersehnte Salamibrot, das mir mein Mann schmierte und beim Telefonieren mit meinen Eltern. Ich heulte auf dem Sofa, auf dem Klo und über mein Smartphone während des Googelns von „Wann hört das Heulen wieder auf?“.

Kaum vorstellbar, aber es hörte tatsächlich auf. Ob das mittlerweile auch an einem akuten Flüssigkeitsmangel lag, weiß ich nicht. Aber gut. Babyblues abgehakt. Check! Jetzt konnte es kommen. Dieses wunderbare, alles übertreffende Muttergefühl. Diese bedingungslose Liebe für dieses zarte kleine Geschöpf. Die Aufopferung. Das Glück. Und ich wartete. Und wartetete. Und wartete….

Was kam, waren Massen an Blut. Stimmungsschwankungen. Blutende Brustwarzen. Scheiss beschissene Nächte. Ungewollte Besuche. Nächtliche Ehestreits. Unzählige Fragen. Alles umhüllt von einem bleiernen Umhang aus Müdigkeit.

Ääääääh, sorry, wo bitte geht’s hier denn nochmal zum Mutterglück? Bin ich irgendwo falsch abgebogen?

Gut sieben Jahre und drei Kinder später kann ich sagen, ich habe es noch gefunden. Aber es hat um Welten länger gedauert als gedacht. Und es zeigt sich auch heute in der Regel anders als erwartet. Ich liebte meine Kinder von Anfang an. Aber so richtig spüren konnte ich das vor allem beim Erstgeborenen erst viel später. Wie sollte es auch anders sein? In so eine Mutterliebe muss man eben auch erst einmal reinwachsen. Weiß doch kein Mensch vorher, wie sich sowas anfühlt. Nur sagt einem das keiner vor der Geburt. Warum eigentlich nicht?

Und all diese wunderschönen Babyfotos. Mit einer lachenden Familie darum herum. Mittlerweile verstehe ich das Faible vieler frischgebackener Eltern, ausschließlich Gliedmaßen abzulichten, erinnere ich mich doch düster an unser erstes Babyshooting. Das kleine Ding sah in jeder erdenklichen Pose (viele hatte es ja ohnehin noch nicht drauf) aus wie Yoda. Oder es schrie wie am Spieß. Abwechselnd schrie auch ich meinen Mann an. Oder der Mann den Selbstauslöser. Man mag sich nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn der auch noch zurückgeschrien hätte. Deswegen existieren von allen unseren Kindern auch keine Baby-Familienbilder. Das ist aber in Ordnung. Bei Kind 2 und 3 war alles eigentlich immer ganz ähnlich. Nur eines vielleicht: Ich wusste, es ist ok. Ich bin ok. Das hat die Lage ungemein entspannt. Hätte es dies nicht, hätte ich mir aber tatsächlich ungeniert Hilfe geholt. Als bekennender Hypochonder hatte ich mich ohnehin schon vor der Geburt in einer postpartalen Depression gesehen. Und vielleicht hat mich gerade das Warten darauf davor geschützt.

So come on everybody – let’s dance the babyblues!