Wenn meine liebe Freundin und Bloggerkollegin Evelyn von Little Paper Plane und ich gemeinsam einen Beitrag über Corona schreiben und wie es uns als Familien ergeht, dann kommt das dabei raus! Lest, teilt und schaut unbedingt bei ihr vorbei, es lohnt sich. (Auf ihrem Blog und bei Instagram).

Wir schreiben Mai 2020. Zwei Monate lang haben wir uns jeden Tag eine ganz seltsame Science-Fiction Serie reingezogen. Langsam wird das nun aber doch etwas fad, wiederholt sich alles ständig. Und wir kehren zurück zu einem gelockerten, neuen Alltag. Lockerung ist überhaupt das große Wort. Hier wird gelockert, da wird gelockert, überall wird gelockert. Locker sitzen bei uns momentan allerdings nur Schimpfwörter, die Fernbedienung vom TV-Babysitter und der platzende Kragen.

Wir lieben unsere Kinder bis zum Umfallen und weit darüber hinaus. Aber auch schon vor diesem blöden C-Wort war das Leben ein Teufelskreis der Unvereinbarkeit. Die Leidtragenden waren – wie so oft – wir Eltern. Die Mütter packten in ihre Teilzeitjobs ohnehin schon eine Vollzeitstelle rein, weil sie doch einfach so wahnsinnig effizient waren. Die Väter wurden beim bloßen Aussprechen des Wortes „Elternteilzeit“ angeschaut als wären sie Aliens vom Planeten „Gehtjagarnicht“ und so hatten sie selbstredend die Rolle des Familienversicherers inne. Wer mehr verdient, arbeitet natürlich mehr. Gender Pay Gap und so.

Und abends stand da an der Tür schon eine Mama mit ein bis vielen Kindern im Arm zur sofortigen Übergabe. Warum? Weil Mutters Vollzeitjob doch nicht so recht in die Teilzeitstelle passte. Oder weil ausnahmsweise die Mama mal Pipikacka wollte. Oder weil sie im Bad einfach mal kurz stumm schreiend ins Handtuch beißen musste. Ihr kennt das.

Wir Eltern drehten uns schon vor der großen Seuche mit zwei Jobs und Kindern immer schneller im Teufelskreis-Karussell der Unvereinbarkeit. So, und dann kam der Lockdown. Als diese Krise über unsere Köpfe hereinbrach wie ein fieses Hagelgewitter waren wir Mamas schnell zur Stelle. Wir spannten routiniert unsere selbstlosen Schirme auf, denn wenn einer schnell auf Unvorhersehbares reagieren kann, dann wir Mütter. Aber dieses Mal dauerte es nicht lange und wir mussten uns eingestehen: diesen Hagelschlag auszuhalten war reine Glückssache. Ob man Kinder hatte, die über das Kleinkindalter vielleicht schon lange hinaus waren, ob man vielleicht doch noch in zweiter Instanz zu den systemkritischen Berufen zählte und in die Notbetreuung rutschte, ob der Chef verständnisvoll auf das neue (nicht funktionierende) Home-Office reagierte, ob genug Geld auf dem Konto war, eine kleine Durststrecke ohne Existenzsorgen durchzuhalten, ob man alleinerziehend war oder nicht, ob das Schulkind mit dem Home-Schooling gut zurecht kam oder Amok lief und so weiter und so fort.

Voll erwischt

Ja, Corona hat uns Familien mit Kindern voll erwischt. Wie ein Schlag ins Gesicht, ohne Rücksicht auf Verluste. Und trotzdem mussten vor allem wir achso flexiblen Mütter weiter machen, weiter leisten, weiter funktionieren. Mit blauem Auge, uns nicht beklagend und natürlich unsichtbar. Die großen Worte wurden aus pastellfarbenem Social-Media-Glitzer Papier ausgepackt. „Krise als Chance“ haben sie gesagt, „Hey, entschleunigt doch mal“ oder „Bastelt doch ein bisschen!“.

Und wir so… häh?! Wenn zwei Elternteile im Homeoffice arbeiten mit Kleinkindern, Kindergartenkindern, zu beschulenden Großkindern, ist das entschleunigt? Ernsthaft? Oder die Alleinerziehende, die ihr volles Gehalt für den nächsten Wocheneinkauf benötigt? Ist das wirklich eine Chance? Oder ist das eher eine Gleichung für den perfekten Kollaps? Eine selbsterfüllende Prophezeiung?

Diese fiesen kleinen Superspreader

Und dann sind da ja noch die Kinder, diese kleinen Virenschleudern. Die Geschöpfe, vor denen man Angst hat. Die SUPERSPREADER. Das könnte der Titel eines neuen Blockbusters sein. Und natürlich ist es auch vollkommen legitim und nachvollziehbar, wenn jetzt Hinz & Kunz fluchtartig und Maske hochziehend die Straßenseite wechseln, wenn sie eine müde Mama mit ihren bösen Bälgern entgegenkommen sehen. Oder noch ein mahnendes „Abstand halten!“ hinterherwerfen. Denn nach Wochen eines kompletten Lockdowns in den eigenen vier Wänden tragen unsere Kinder ganz sicher ausnahmslos das böse Coronavirus in sich, diese kleinen unhygienischen Zwergenmenschen.

Schieben wir doch einfach den Kindern den schwarzen Peter zu. Auch wenn es ein erwachsener Mann war, der einer Fledermaus den Kopf abgebissen hat – völlig egal – Kinder müssen der Gesellschaft fernbleiben. Lieber lassen wir Heinz wieder in den Baumarkt und Hilde zur langersehnten Dauerwelle. Und die restlichen Millionen wieder in die Biergärten, Gaststätten und zum freudigen Shoppen. Wem dann noch langweilig sein sollte inmitten all der gelockerten Entschleunigung, der darf ja nun glücklicherweise wieder Fußball schauen. Heinz und Hilde grölen eben lauter. Und sie haben auch etwas mehr Kohle als unsere Kinder in ihren Paw Patrol Spardosen.

Das Lesen zwischen den Zeilen der Pressemitteilungen deprimiert, lässt uns verzweifeln. Und das, was nach Covid-19 bleiben wird, ist bitter. Es ist das Aufzeigen einer Gesellschaft, die Eltern und insbesondere die Mütter vergisst, Hilfeschreie von Familien ignoriert und Kinder manchmal einfach lieber aus dem Blickfeld haben möchte.

Für einen sozialeren Infektionsschutz

Könnte man Infektionsschutz nicht gerechter umsetzen? Sozialer? Es ging uns nie darum, sofort wieder alles zu öffnen. Wir haben keine aus dem Boden gestampfte Petition unterschrieben zur unverzüglichen Öffnung aller Kindertagesstätten. Und der Hashtag #WirbleibenZuhause bildet genau das ab, was wir doch alle getan haben. Aber wie kann es sein, dass wir über Bundesliga sprechen und die Familien dort draußen zusammenbrechen lassen? Die schauen euch dann nämlich auch nicht mehr beim Fußballspielen zu. Verzeihung, beim sozial-distanzierten Zweikampf.
Wenn hier so viele Gelder aus Töpfen gefischt werden (können), wo bitte bleiben die Gelder für die Familien? Warum dürfen die arbeitenden Eltern (ohne Notfallbetreuung) nicht beide ihre Arbeitszeit verkürzen bei gleichbleibender Bezahlung? An alle Eltern: Wer von euch hatte vor Corona mit täglicher Betreuungszeit und Erwerbstätigkeit noch irgendwelche Puffer? So einen klitzekleinen? Finger hoch?!
Kleine Anmerkung: Die kleinen Superspreader sind es im Übrigen, die später all diese Gelder wieder in die Töpfe reinwerfen müssen.

Dieser dumme Virus fordert uns allen so viel ab. Und wenn wir sehen, wie viele Menschen ihr Leben lassen, dann ist das unfassbar traurig. Die Angst um die Eltern und Großeltern lastet – nur nebenbei erwähnt – auch noch zusätzlich auf uns, jungen Familien.

Und eins ist klar, es geht hier nicht um Pobacken zusammenpressen. Schon lange nicht mehr.

Liebe MachthaberInnen

Liebe EntscheidungsträgerInnen und GroßkonzernfördertöpfeschöpferInnen, versuchen Sie heute Abend doch einfach mal mit einem Honig-Nutella-Gemisch Ihre Zähne zu putzen. So in etwa funktioniert das hier bei uns gerade alles mit Home-Office, Home-Schooling, Home-Entertaining, Home-Catering, Home-Caring. Danach laufen Sie noch mit zugebundenen Augen über zwei Handvoll Legosteine, die unsere Kinder gerne für Sie professionell drapieren werden. So fühlt sich das in etwa seit dem 13. März bei uns an. Und zwar durchgehend. Und wenn Sie die Augenbinde dann ablegen und noch die wunderschönen Sternanemonen an den Wänden Ihrer Stadtrandvilla betrachten, im zarten Eddingschwarz… dann, ja dann gewinnen Sie vielleicht eine leise Ahnung, wie es bei uns aussieht.

Bitte seht uns Eltern wieder als das an, was wir sind. Liebende, übernächtigte, helfende, durchschnittsverdienende, oftmals kraftlose, aber völlig normale Menschen. Wir sind keine Maschinen. Wir können uns nicht klonen. Wir können nicht normal weiterarbeiten und dabei die Kinderbetreuung komplett übernehmen. Wir können aber auch keine Stunden reduzieren und stattdessen Geld drucken gehen.

Wir brauchen eure Unterstützung!

P.S.Im März hat das Bundesministerium für Gesundheit ein kleines Video in den sozialen Medien gepostet mit zehn Tipps zur Unterstützung für die Arbeit im Home-Office. Punkt 8 war: „Störfaktoren aus dem Arbeitszimmer verbannen.“

P.P.S.: Issssch abe gar kein Arbeitszimmer!

P.P.P.S.: Wir haben den vierjährigen und den zweijährigen Störfaktor derweil für acht Wochen ins Kinderzimmer gesperrt. Passt, oder?