Szenen eines ganz gewöhnlichen Abends bei einer ganz gewöhnlichen Familie. Heute im Programm: „Einschlafen – ein Kinderspiel!“

Die Familie isst gemeinsam zu Abend. Heute läuft wirklich alles erstaunlich ruhig ab. Keine nennenswerten Streitereien aufgrund totaler Übermüdung. Oder akuter Bewegungsarmut. Die geschmierten Brote werden gegessen. Es scheint heute noch nicht einmal das obligatorische umgeschubste Glas Apfelschorle zu geben. Und das Beste: Die kindlichen Augen werden schon langsam kleiner.

„Das wird easy peasy heute“, raune ich dem Mann verschwörerisch grinsend zu. Und mache hinter den Rücken der Kinder eine ziemlich alberne Siegerpose. Hat sich der ausgiebige Spielplatzbesuch am Nachmittag ja doch gelohnt. Ich bin stolz auf mich. Und sehe mich schon all diese schönen Dinge machen, für die ja sonst nie Zeit ist. Ein Schaumbad (allein) und nachher trotzdem noch den 20:15 Uhr-Streifen glotzen. Kommt heute nicht der Bachelor? Hach, das Leben ist schön.

Bester Laune schalte ich den Kindern den Sandmann ein. Heute schaue ich sogar mit. Habe nachher ja noch genug Zeit für all den anderen Kram. Die Stimmung ist super. Die Kinder angenehm ruhig und nach Verteilen des Schlafsands sagt mir Kind 1 sogar, es freue sich heute total auf sein Bett. Jackpot!

So. Schlafanzug ist an, Zähne geputzt und manche Körperstellen hatten sogar kurzzeitig Kontakt mit Wasser und Seife. Es läuft, würde ich sagen.
Kind 1 und 2 gehen mit dem Vater ins Kinderzimmer zum Lesen. Den Mini nehme ich rüber zu uns.

Tick tack tick tack….

Wir läuten den Beginn der schwarzen Stunde ein.

Ich stehe am Babybett und versuche mich allmählich und mit höchster Präzision aus der Fingerumklammerung des Jüngsten zu lösen. Jetzt heißt es Ruhe bewahren, immer weniger Druck, Schnuffeltuch hinzufügen als Körperkontaktersatzmodul. Hand schließlich ganz weg. Aaah, reicht noch nicht. Prozedere noch einmal von vorne. Bei erfolgreicher Lösung dann langsam, ganz langsam vom Gefahrenobjekt entfernen. Bloß keine ruckartigen Bewegungen. Dies muss alles in stark gebückter Haltung geschehen, in etwa auf Höhe der Gitterstäbe. Die mütterliche Silhouette darf nicht zu sehen sein für ein möglicherweise halb geöffnetes Babyauge. Ich fühle mich ein bisschen wie Tom Cruise in Mission Impossible. Zumindest musste er sich so fühlen. Als er völlig lautlos durch ein Labyrinth aus Laserstrahlen glitt. Bloß kein Geräusch verursachen. Jegliche potentielle Lichtquelle eliminieren. Ich schwöre Ihnen, selbst die Stand-by Anzeige meines Radioweckers würde das Baby aufwecken.
Morgen bringe ich ihm bei, alleine einzuschlafen. Ganz bestimmt. Morgen ziehe ich es endlich durch. Dann schläft es sicher auch nachts besser. Steht ja auch im Schlafratgeber. Morgen…

Aber hey, es läuft gut. Auf allen Vieren erreiche ich die Türe. Jetzt nur noch die letzte Hürde bezwingen. Ich bin so nah dran am Schaumbad…

Wuuuaaaah

Verdammt! Der Feind des langen Feierabends ist wieder wach.

Und zu allem Übel höre ich von nebenan ebenfalls sehr bekannte Geräusche. Lautes Lachen, das in Quengeln, das in Schreien, das in erneutes Lachen, das in Hunger, das in Durst, das in Pipi, das in Weinen übergeht.

Es ist halb acht am Abend. Und es ist doch nicht zu fassen! Da reiben sich diese kleinen Menschen doch schon seit einer Stunde unaufhaltsam die Augen. SIE! SIND! MÜDE! Den zwei Großen wurden väterliche Gute-Nacht-Geschichten gelesen, den Kleinen schunkelte und sang Mutter liebevoll in den Schlaf.

Ich korrigiere: in den vermeintlichen Schlaf.

Meine Laune sinkt mit jeder Sekunde noch tiefer. Mittlerweile sind wir schon bei Schaumbad oder 20:15 Uhr-Bachelor. Verdammt. Und ich Hirsch hänge mit den Kindern drei Stunden nachmittags auf dem Spielplatz ab. Für was bitteschön?!

Ich liebe meine Kinder über alles. Ohne Frage. Aber so am Ende eines langen Tages, platze ich so richtig vor Liebe. WENN! SIE! SCHLAFEN!

Was mir in der Schwarzen Stunde ungemein hilft:

  • ein Fernseher mit Aufnahmefunktion (ziemlich old-fashioned, ich weiß)
  • das Abhören von Sprachnachrichten meiner besten Freunde während ich mich vor meinen Kindern tiefschlafend stelle
  • Pläne schmieden, wie ich mich in zehn bis fünfzehn Jahren an den Kindern rächen werde. Zum Beispiel: Mich sonntagmorgens um acht in ihre Zimmer schleichen. Ihre Händchen halten. Ihnen sagen, dass ich sie ganz arg super mega dolle lieb hab. Drölf mal dasselbe Lied vorträllern. Oder wahnsinnig spannende Geschichten über Drachen und Feen erzählen. Ja, ich denke, das werde ich tun. UND! JETZT! SCHLAFT! ENDLICH! EIN!

Eine wunderbar tiefdurchschlafende Nacht wünscht Ihnen

P.S.: Die überdurchschnittliche Anzahl der Ausrufezeichen in diesem Beitrag verdeutlicht meine emotionale Beteiligung an diesem Thema !!!